1. November 2024 – 20. April 2025
Die slowenische Künstlerin Maja Smrekar widmet sich seit vielen Jahren der Beziehung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren und bewegt sich dabei an der Schnittstelle zu Wissenschaft und Technologie. Da einige ihrer bekanntesten Projekte Menschen und Hunde einbeziehen, konzentriert sich die Ausstellung auf Smrekars persönliche Prägung und emotionale Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ihren tierischen Weggefährten. Die Schau ist gleichzeitig eine Hommage an Smrekars Hündin Ada, die an zentralen Arbeiten mitwirkte und im Frühsommer dieses Jahres starb.
Smrekars künstlerische Auseinandersetzung mit dem nichtmenschlichen Anderen ist geprägt von Respekt, Fürsorge und Empathie. In ihren Arbeiten bezieht sie sich auf ein Konzept, das in den 1970er Jahren von den französischen Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari formuliert wurde: „becoming animal“. Deleuze und Guattari beschreiben darin einen Prozess, mit dem man sich schrittweise von – etwa gesellschaftlich oder politisch – festgeschriebenen Identitäten oder Ordnungsvorstellungen lösen kann. Diese beruhen auf einer starren, dualistischen Definition von Kategorien und trennen strikt zwischen Mensch – Tier, Mann – Frau, Natur – Kultur. Die Auflösung der Trennung erlaubt es, sich auf neue, intensivere Weise mit der Welt zu verbinden. Entscheidender Bestandteil ist jedoch nicht nur das gedankliche Begreifen, sondern die körperliche Erfahrung, wie sie Smrekar etwa in ihren performativen Arbeiten durchlebt.
Vor diesem Hintergrund untersucht Maja Smrekar in ihrem Gesamtwerk die Beziehung zwischen Mensch und Hund aus mehreren Perspektiven. So erforscht sie etwa die Ko-Evolution von Mensch und Hund: Durch jahrtausendelange gegenseitige Anpassung haben sich die Gene beider Spezies so verändert, dass Defizite kompensiert und das Zusammenleben befördert wurde. Sie vertieft dies durch eine Auseinandersetzung mit den molekularbiologischen Grundlagen, die auf individueller Ebene Toleranz und Empathie zwischen den Spezies entstehen lassen.
Durch den Bezug auf ökofeministische Theorien positioniert Smrekar ihre Arbeiten schließlich in einem hochaktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs. Schon Deleuze und Guattari kritisierten die dominante Stellung des Menschen in der westlichen Philosophie, die ihn an die Spitze aller Lebewesen setzt. Die Kritik wurde von ökofeministischen Denkerinnen wie Donna Haraway und Rosi Braidotti aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie argumentieren, dass die Ausbeutung von Tieren und der Natur auf denselben patriarchalischen Strukturen und Identitätszuschreibungen basiert wie die Unterdrückung von Frauen. Diesem System stellen sie eine feministische Ethik von Fürsorge und Solidarität gegenüber, die auch das nicht-menschlich Andere einbindet.
Im Einklang mit diesen Gedanken hinterfragt Smrekar in der Ausstellung nicht nur die Instrumentalisierung des weiblichen und tierischen Körpers, sondern auch das traditionelle Verständnis von Familie und Mutterschaft. Mit ihrer hybriden Familie, die sie mit ihren Hunden Ada und Byron bildete, entwirft sie das Modell einer erweiterten, solidarischen Gemeinschaft. Smrekar versteht damit ihr Konzept der „mOtherness“ auch als künstlerischen Beitrag zur verantwortungsvollen Gestaltung der Zukunft unseres Planeten.
Heike Sütter