Martha Atienzas (*1981, Manila) Videoinstallationen sind präzise Beobachtungen ihrer Heimat unter gesellschaftlichen und umweltpolitischen Aspekten. Die Ausstellung Fair Isles verdichtet die drei Videoinstallationen Fair Isle 59°41’20.0”N 2°36’23.0”W, Anito 1 und Anito 2 zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem aktuellen Zeitgeschehen. Der Blick auf prekäre und auf den ersten Blick unvertraute Phänomene und Situationen wirft unser eigenes Leben betreffende Fragen auf.

Wiederkehrende Elemente in den Arbeiten der bikulturellen, sich zwischen den Philippinen und den Niederlanden bewegenden Künstlerin Martha Atienza sind die bildliche Erforschung des Meeres und ein ethnografisches Interesse an den Einwohnern ihrer Heimat, der philippinischen Insel Bantayan, wobei ihre künstlerische Praxis untrennbar mit einem großen sozialen und ökologischen Engagement verbunden ist. Beide Themenkomplexe gehören letztlich zusammen, da die Einwohner der philippinischen Insel stark vom Meer und seinem intakten Zustand abhängig sind. In dieser engen Verbindung zwischen philippinischer Bevölkerung und Meer findet sich zugleich eine Parallele zur zweiten Heimat der Künstlerin, den Niederlanden, ehemaligem Seefahrervolk und Kolonialmacht. Dem entgegengesetzt prägt die Philippinen eine lange Geschichte der kolonialen Besetzung.

Das 63-minütige Slow-Motion-Video Fair Isle 59°41’20.0”N 2°36’23.0”W, (2016), das Atienza von einem an der nordschottischen Fair Isle vorbeifahrenden Frachtschiff aus aufgenommen hat, zeigt in ruhigen, fast meditativen Bildern ohne Ton die bewegte See in einem grauen Dunst, der den Horizont aufzulösen scheint. Die endlose Weite des Meeres und die langsame, aber bestimmte Bewegung der Wellen und Schaumkronen oszilliert atmosphärisch zwischen Beruhigung und Bedrohung. Zugleich vermittelt das Video ein Gefühl für die stoische Erhabenheit der Wassermassen, die in der Vergangenheit die einzige Verbindung zwischen verschiedenen Territorien darstellte. Die im Nordatlantik gelegene Fair Isle bildet seit Jahrtausenden einen Orientierungspunkt der (Handels-)Schifffahrt. Aufgrund von Stürmen und Nebel sind jedoch zahlreiche Schiffe nahe der Küste gesunken. Heute steht die Instrumentalisierung der Seewege als nautische Güterautobahn mit den damit einhergehenden Auswirkungen auf sensible Ökosysteme im Fokus.

Im Gegensatz zur kontemplativen Form von Fair Isle vereinnahmt das fortlaufende, offen als Archiv angelegte Langzeitprojekt Anito mit klang- und bildgewaltigen Filmszenen die Ausstellungsräume. Ausschnitte aus dem alljährlich stattfindenden, ursprünglich animistischen, aber durch die spanischen Kolonialmächte christianisierten Fest Ati-Atihan auf der Insel Bantayan, demonstrieren den humorvollen Umgang der philippinischen Bevölkerung mit tagespolitischen Ereignissen. Ob Naturkatastrophen, ausgelöst durch Taifune, der Drogenkrieg des Präsidenten Rodrigo Duterte oder Arbeitslosigkeit und Abwanderung – einmal im Jahr werden diese ernsten Themen der Region auf dem Umzug in einfallsreichen Kostümen karikiert, die das Streben nach Überleben, die Suche nach Identität und das Bedürfnis nach Kreativität widerspiegeln.

Hauptsächlich bewohnt wird Bantayan von den indigenen Völkern der Aeta. Der Name Ati-atihan bedeutet „wie die Aetas sein“ oder „die Aetas glauben lassen“. Man nimmt an, dass die Aeta bereits vor etwa 30.000 Jahren die Insel besiedelten und zu den frühesten Einwohnern des philippinischen Archipels zählen. Sie haben dieses rituelle Fest bereits 1.000 v. Chr. initiiert.

Zusammen stellen die beiden bisherigen Videos der Serie, Anito 1 (2011-2015) und Anito 2 (2017), eine Kompilation aus Filmmaterial der letzten acht Jahre dar. Weitere Jahre der filmischen Begleitung durch Martha Atienza sowie weitere Umbrüche in der Gesellschaft der Aeta-Bevölkerung werden folgen.

In Kooperation mit dem exground filmfest 31 zeigt der Nassauische Kunstverein Wiesbaden anlässlich des diesjährigen Länderschwerpunkts Philippinen drei Einzelausstellungen philippinischer Künstler_innen, Journalist_innen und Aktivist_innen. Martha Atienza, Kiri Dalena und Raffy Lerma reflektieren in Videos und Fotografien die politische und soziale Lage ihrer Heimat. Bei der Aufführung von Martha Atienzas Video Anito 2 handelt es sich um die Welturaufführung.

Über die Künstlerin /
Martha Atienza (*1981, Manila, PHL) studierte an der AKI Academy of Art and Design in Enschede und nahm am Kunstprogramm der Kuvataideakatemia of the University of the Arts Helsinki teil. Mit ihren videobasierten Installationen war sie bereits vielfach in internationalen Ausstellungen und auf Filmfestivals vertreten, unter anderem in Singapur, auf den Philippinen, in Australien sowie in den Niederlanden. 2017 wurde sie mit dem Baloise Art Prize der Art Basel ausgezeichnet. 2015 erhielt sie den Thirteen Artists Awards des Cultural Center of the Philippines. Die Künstlerin lebt und arbeitet auf Bantayan (PHL) und in Rotterdam (NLD).

Bei der Aufführung von Martha Atienzas Video Anito 2 handelt es sich um die Welturaufführung.

Martha Atienza, Fair Isle 59 41 200 N 2 36 23 0, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2018, Foto: Janine Drewes.
Martha Atienza, Anito 1, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2018, Foto: Janine Drewes.
Martha Atienza, Anito 2, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2018, Foto: Janine Drewes.
Martha Atienza, Anito 2, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2018, Foto: Janine Drewes.
Martha Atienza, Anito 1, 2011-2015, Ein-Kanal-HD-Video, 9 Min., Loop, Ton, Courtesy und ©: Martha Atienza und Silverlens Galleries.
Martha Atienza, Anito 2, 2017, Ein-Kanal-HD-Video, 7:18 Min., Loop, Ton, Courtesy und ©: Martha Atienza und Silverlens Galleries.

Martha Atienza / Fair Isles

09. November 2018 - 16. Dezember 2018

 

In Kooperation mit dem
exground filmfest 31
16. bis 25. November 2018

Gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain.