Kateřina Šedá
Der koreanische Automobilhersteller Hyundai errichtete 2008 ein gigantisches Produktionswerk inmitten des tschechischen Dorfes Nošovice, wodurch eine geographische und soziale Teilung des Ortes entstand. Als Kateřina Šedá 2008 das Dorf besuchte, beobachtete sie eine für sie bis dahin nicht gekannte Gleichgültigkeit und Resignation. Einerseits ignorierte der koreanische Automobilproduzent die gewachsene Ortstruktur, andererseits war die Bevölkerung unfähig, sich gegen die Errichtung des Werks zu wehren oder an die neue Situation anzupassen.
„NEDÁ SE SVÍTIT“ (Es ist kein Licht), war die Antwort der meisten Bewohner auf Šedás Nachfrage nach dem Huyndai-Werk und zugleich der Ausgangpunkt für ihre kreative Auseinandersetzung mit der Resignation in Nošovice. Ganz im Sinne der sozialen Plastik, wurde die Suche nach Auswegen zu ihrem künstlerischen Projekt, dass sie solange fortführt, bis die Einheit des Dorfes wiederhergestellt ist.
All ihre Aktionen und Projekte, die um die Zukunft des Dorfs und die Wiederannäherung seiner Bewohner kreisen, sind fortlaufend aufeinander aufgebaut und in ständiger Transformation. Während des dreimonatigen Aufenthalts in Wiesbaden erlangte Kateřina Šedá die Erkenntnis, dass die hessische Landeshauptstadt, im Gegensatz zu Nošovice, eine in sich geschlossene, funktionierende Einheit ist. Zwei Aspekten – der Übersetzung des tschechischen Sprichwortes „NEDÁ SE SVÍTIT“ in die deutsche Sprache und der besonderen Prägung Wiesbadens durch das Wasser †’ schrieb sie innerhalb dieses Erkenntnisprozesses eine tragende Rolle zu.
Von 10 Übersetzern schlug die Mehrzahl als deutsches Pendant zu „NEDÁ SE SVÍTIT“ die Redewendung „DIE SUPPE IST GEGESSEN“ vor. Davon ausgehend beschloss Kateřina Šedá zur Lösung des Problems den Blick auf die Zukunft (das Hauptgericht) zu richten. Bei Besuchen in verschiedenen Restaurants in Wiesbaden fiel ihr auf, dass die Speisen mittig auf dem Teller angerichtet werden. In der tschechischen Republik werden ganz ähnliche Speisen dagegen in der Regel so präsentiert, wie sich auch das Dorf mit dem Automobilwerk darstellt: geteilt in zwei Hälften mit einem Loch in der Mitte in dem die Sauce schwimmt.
Das Hauptgericht wird nun zur Metapher für die Zukunft des Dorfes Nošovice nach der Automobilfabrik: In Anlehnung an die 26 Quellen Wiesbadens und deren symbolische Darstellung einer zweigeteilten Fontäne, die in einem kreisrunden Wasserbecken wieder zusammenfließt, reisen 26 Köche aus Wiesbaden gemeinsam mit Kateřina Šedá nach Nošovice. Dort besuchen sie Restaurants und machen sich mit der Situation des Dorfes und der dortigen Art und Weise, Hauptgerichte zu präsentieren, vertraut. Anschließend sind sie aufgefordert, tschechische Hauptgerichte nach ihren Vorstellungen anzurichten und somit quasi auf dem Teller zu demonstrieren, wie das Problem in der Mitte des Tischs/Dorfs gelöst werden könnte. Die angerichteten Speisen dienen schließlich in einem weiteren Schritt als Modelle für Architekten und Stadtplaner, um einen Ausblick auf die Dorfmitte nach der Schließung des Automobilwerks zu geben und eine ähnliche Harmonie herzustellen, wie sie Kateřina Šedá in Wiesbaden beobachtet hat.
Die Ausstellung im NKV wird sich, anknüpfend an die einzelnen Schritte der Aktion, mehrmals transformieren und das Projekt begleiten.
Zum Ende der Ausstellung erscheint eine Publikation.
Kateřina Šedá wurde 1977 in Brno in der Tschechischen Republik geboren.
Nach dem Grafikstudium an der Hochschule für angewandte Künste in Brno wechselte sie 1999 an die Akademie der bildenden Künste in Prag, wo sie bis 2005 studierte.
Seitdem realisierte Kateřina Šedá zahlreiche Aktionen und Projekte im Sinne der sozialen Plastik, bei denen sie zum Teil die Bewohner ganzer Dörfer involviert.
Weltweit war sie bei zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten, darunter der documenta 12, der Manifesta 7, der 5. Berlin Biennale und der Übersichtsschau „Younger than Jesus“ im New Museum, New York. Ihre jüngsten institutionellen Einzelausstellungen fanden im Museum Sheffield, dem Künstlerhaus Bremen und im Mori Art Museum, Tokio statt.
2011 entwickelte sie zudem für die Ausstellung zum „Future Generation Art Prize“ der Victor Pinchuk Foundation im Rahmen der diesjährigen Venedig-Biennale die Aktion „Hyundai: Visitors Day“ und führte jüngst in Kooperation mit der Tate Modern London das Projekt „From Morning till Night“ durch.
Kateřina Šedá erhielt in den letzten Jahren zahlreiche Förderpreise und Stipendien, u. a. den Förderpreis der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, den Contemporary Art Society Award und den Jindřich Chalupecký Award. Sie hatte Arbeitsaufenthalte in Ungarn, Stockholm und New York und 2011 von Juni bis August in Wiesbaden im Rahmen des Follow-Fluxus-Stipendiums.
Als Ergebnis des Aufenthalts wird vom 11. September 2011 bis zum 3. Juni 2012 ihre Ausstellung „Die Suppe ist gegessen“ im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden wird zu sehen sein und sich, anknüpfend an die einzelnen Schritte des gleichnamigen Projekts, mehrmals transformieren.
Kateřina Šedá lebt und arbeitet in Brno-Líšeň. Sie wird vertreten durch die Galerien Franco Soffiantino in Turin und Arratia, Beer in Berlin.