Sexappeal, Erotik, persönliche Ausstrahlung und Phantasie kennzeichnen einen gelungenen Strip. Er baut vor allem auf gekonnte Andeutungen und raffinierte Verzögerungen auf und gibt dabei ein großes sinnliches Versprechen, das für den im Publikum verharrenden Zuschauer jedoch nicht eingelöst wird.

Über den Einsatz dieser Strategien und über die Projektion exhibitionistischer Wünsche in der Auktion Christian Jankowskis wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal angeregt und der aktuelle Marktwert des Künstlers ermittelt: In Strip the Auctioneer passiert formal genau das, was der Titel beschreibt: bei einer Auktion von Christie’s Amsterdam entblättert sich der Auktionator Arno Verkade Stück für Stück und versteigert fast alles, was er am Leibe trägt. Das Ganze durch den offiziellen Christie’s Fotografen dokumentiert, so dass neben der Aufzeichnung der Live-Übertragung im Internet (Christie’s Live) auch eine fotografische Serie entstanden ist.

Zum Ersten: der Künstler erklärt eine Auktion selbst zu seinem Kunstwerk.
Zum Zweiten: das Publikum projiziert im Rausch der Auktion auratische Wünsche auf die zur Versteigerung stehenden Objekte.
Und zum Dritten: die ersteigerten Objekte gehen als Kunstwerke in Sammlungen ein.
Der Hammer des Auktionators saust zum letzten Mal in seiner Funktion nieder – TOCK.

Alltagsobjekte werden durch die Kontextveränderung zur Kunst erhoben, ihr Wert um ein Vielfaches gesteigert. Damit setzt Christian Jankowski seine messerscharfe Analyse der Kunstliga und ihrer Spieler, Spielfelder und Spielregeln konsequent fort: Sammeln, Kaufen, Ausstellen erreichen in dieser Arbeit einen Höhepunkt. Die gesamte Auktion im renommierten Auktionshaus Christies verläuft höchst seriös, dennoch implementiert er humorvoll und gewitzt die Fragen: Nach welchen Kriterien wird gesammelt? Wie wird ein Kunstwerk erworben? Wird der Wert eines Kunstwerkes kollektiv erzeugt? Was machen Sammler mit ihren Objekten?

Mit Strip the Auctioneer ist Christian Jankowski der totale Coup gelungen, - sicherlich nicht zufällig zu der Zeit, nachdem erstmalig ein Künstler seine Werke selbstständig, also unter Umgehung des Zwischenmarktes, in eine Auktion gegeben hat und für seine Jahresproduktion 140 Millionen Euro von auserwählten geladenen Gästen erhielt. Ging es hier tatsächlich um die elitären Verteilungsstrategien des Marktes, oder vielmehr um einen vom Künstler und Auktionshaus veranstalteten Schlussverkauf zu Höchstpreisen? Während Damien Hirst die Institution nutzt, um seine persönliche Gewinnspanne zu steigern, erklärt Christian Jankowski dieses Spektakel mit allen seinen Komponenten zum Kunstwerk selbst.

Mit seiner intervenierenden Feldforschung übernimmt Christian Jankowski die Rolle des „Künstler(s) als Soziologe in eigener Sache“  und analysiert den Kunstbetrieb, von dem er nicht nur selbst ein aktiver Teil ist, sondern dank deren verlässlich funktionierenden Gesetzmäßigkeiten er überlebt, lebt und im Idealfall, bei steigender Erfolgskurve, sogar sehr gut lebt. So ist die innewohnende Kritik am beobachteten Apparat seinerseits immer auch mit einem schmunzelnden Auge zu verstehen, entscheidend geht es ihm aber um die Kommunikationsprozesse, die seine Projekte in Gang setzen.

Ist die erste Einzelausstellung in einem Kunstverein für junge Künstler in der Regel der Sprung in ihre professionelle Karriere, ist es dagegen im Fall Jankowski nicht der Künstler, der einer Sprunghilfe bedarf, es ist vielmehr die Chance der Relikte jener vergangenen, zum Kunstwerk erklärten Auktion, erstmals in einer Ausstellung gemeinsam aufzutreten. Durch die Präsentation dieser Alltagsgegenstände in musealen Vitrinen im Ausstellungskontext werden sie endgültig zur Kunst (nicht mehr nur für ihre Sammler) erhoben. Transformation von Alltag in Kunst hat in Wiesbaden spätestens seit den Fluxus Internationale Festspiele Neuster Musik von 1962  Tradition. Das zugrundeliegende konzeptionelle Prinzip von Strip the Auctioneer gleicht einer Partitur, die einerseits streng festgelegte Vorgaben macht, andererseits den Interpreten größtmögliche Freiheit  eröffnet.

Neun private Kleidungsstücke und Objekte des Auktionators Arno Verkade, sein Taschentuch, seine Krawatte, sein Jackett, sein linker Schuh, sein rechter Schuh, sein linker Socken, sein rechter Socken, sein Hemd und schließlich sein Auktionshammer selbst, werden spätestens mit dieser, ihrer ersten Ausstellung zu Kunstwerken: hoch versichert, schonend transportiert, museal ausgestellt, fotographisch und kunstwissenschaftlich aufbereitet und dokumentiert in diesem vorliegenden Katalog. Damit ist der erste Schritt der Wertsteigerung, die durch die Auktion bereits vorgenommen wurde, vom privaten Objekt zum einem Kunstwerk von Christian Jankowski, bestätigt und folgerichtig fortgeführt.

Christian Jankowski / Strip the auctioneer

06. September 2009 - 01. November 2009

 

Eröffnung: Samstag, 5. September 2009 / 17 bis 20 Uhr

kuratiert von Elke Gruhn und Katharina Klara Jung