Der neapolitanische Barockmaler Luca Giordano wurde von Zeitgenossen hoch geschätzt, da er in verblüffender Weise im Stil der berühmten Meister von Dürer bis Rubens zu malen wusste. Spätere Kunstfreunde verwirrte diese "auswählende" Praxis, welche die Idee einer wieder erkennbaren künstlerischen Handschrift konsequent verleugnet. Doch von der nach immer neueren Positionen durstenden Kunstszene des ausgehenden Jahrtausends wurde dieser Standpunkt eines neuen Eklektizismus bisweilen wieder bereitwillig eingenommen. Der Wiesbadener Künstler Hans-Bernhard Becker geht noch einen Schritt weiter, wenn er eine "Gruppenausstellung ausrichtet: Er zielt hierbei nicht länger auf ein individuelles Arbeiten in verschiedenen Manieren, sondern vielmehr auf die schöpferische Suggestion divergierender, in Wirklichkeit nicht existierender Künstlerpersönlichkeiten, die er in ihren Werken sowie mit Geschichten aus ihrem Leben vorstellt.

Da wäre etwa die Malerin Judy S., zu deren informell in Farben schwelgenden Tableaus ein fotokopierter Test die Geschichte eines abstrakten Malers skizziert, der im Zoo auf einen weitaus besser malenden Affen trifft und eine just ersonne Bildidee verzweifelt aufgibt. Oder Sören Sidbby, dessen pointilistische Landschaften laut Legende während ausgedehnter Landpartien entstehen. Die stilistische Spannweite reicht von einer rauschhaften Neo-Pop-Art (Lars Hammerfeld) über anonyme erotische Zeichnungen bis hin zu in kitschigem Luxus schwelgenden Abbildern allegorischer Porzellanfiguren (Luc Deroußen). Wenn sich Hans Bernhard Becker bei diesem hintergründigen und humorvollen Spiel gerne hinter einem changierenden Inkognito versteckt, so verweisen die jeweils ausgelegten, fiktiven Künstleranekdoten auf die ebenfalls äußerst wechselhaften Befindlichkeiten kreativer Existenzen.

Diese kulminieren in der in Dia-Projektion wiedergegebenen Geschichte eines kleinen Jungen, der in einer großen Villa ein verschlossenes Zimmer immer wieder neugierig umkreist und eine ungefähre Ahnung vom Inneren der Raumes allein aus den verschiedenen, zufällig erhaschten Blicken durch Schlüssellöcher konstruiert: Hierin darf man eine wunderbare Metapher auf den Künstler Becker selbst sehen, der sich von dem Betrachter in Interesse steigernder Camouflage verbirgt und nur immer wieder einen kurzen, ahnungsvollen Ausblick auf das eigentliche Wesen seiner Kunst gestattet.

Hans Bernhard Becker / Eine Gruppenausstellung

16. Mai 1999 - 27. Juni 1999

 

kuratiert von Gottfried Hafemann

in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Leverkusen (Schloss Morsbroich) und der Galerie Buschlinger, Wiesbaden